3D-Druck im Fahrradbau

Direkt vorab: Dieser Artikel wird nicht ganz Materialsortenrein. Wenn man über additive Fertigung im Fahrradbau redet, kommt man an Titan nicht vorbei. Wir dachten, dass es für Euch allerdings auch interessant sein könnte, wo die Reise in Bezug auf 3D-Druck in den nächsten Jahren so hingeht und haben uns deswegen auf den metallischen 3D-Druck im Allgemeinen konzentriert.

Ziemlich am Anfang war die Muffe. Ralf Holleis ist einer der 3D-Druckfahrradpioniere in Deutschland und auf der Welt. 2011 hat er das weltweit erste Fahrrad mit 3D-gedruckten Muffen hergestellt, das VRZ, das sogar im deutschen Museum in München ausgestellt wurde.

2014 folgte eine Kooperation zwischen Renishaw und Empire Cycles. Ziel war es einen Titan-MTB-Rahmen zu entwickeln und zu fertigen, der neben klassischen Titanrohren auch aus 3D-gedruckten Teilen besteht. Für die Fertigung der Teile entschied man sich für das sogenannte Selective Laser Melting Verfahren (kurz: SLM). SLM ist ein Pulverbettverfahren, in dem durch ein Laser ein metallisches Pulver lokal geschmolzen wird und durch das Absenken der Pulverbetttisches peu-à-peu Strukturen aufgebaut werden. Nachteile dieses Verfahrens bis heute sind die sehr beschränkte Baugröße (man kann heutzutage noch keinen ganzen Rahmen mit diesem Verfahren drucken), die Kosten (insbesondere durch die teuren benötigten Pulver) und natürlich die langen Druckdauern (die durch die langen Maschinenbelegungen die Kosten zusätzlich steigern).

https://i0.wp.com/www.leolane.com/wp-content/uploads/2016/03/renishaw-mountain-bike-3D-printed-frame-in-titanium.jpg?w=1170

Die Vorteile dieser Technologie sind, dass Bauteile mit einer sehr großen Maß- und Formhaltigkeit hergestellt werden können mit fast uneingeschränkter gestalterischer Freiheit. Durch die topologische Optimierung der Bauteile (nur da Material und damit Gewicht wo nötig) können enorme Leichtbaupotenziale entfacht werden. So wurde bei dem ersten Projekt das initiale Rahmengewicht von 2100g durch 3D-Druck auf 1400g reduziert. Mehr Infos zu diesem Projekt findet ihr hier.

An der renommierten TU Delft in den Niederlanden dachte man sich: Man muss doch irgendwie einen ganzen Rahmen drucken können. 2016 präsentierten sie das Arc Bicycle. Das Fahrrad wurde im Lichtbogendrahtauftragsschweißverfahren (engl. Wire Arc Additive Manufacturing, WAAM) mithilfe von Industrierobotern hergestellt. Ganz ist es ihnen nicht gelungen den Rahmen aus einem Stück zu drucken. Die einzelnen großen Teile sowie einige Rohre wie Sattel- und Steuerrohr wurden noch von Hand eingeschweißt. Das Laserauftragsschweißen spielt heutzutage allerdings kaum noch eine Rolle in der Fahrradindustrie, da weder die Ästhetik noch die erzielbaren Genauigkeiten der Entwicklungsrichtung der Fahrradbranche entsprechen.

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Die Firma MX3D hat allerdings noch einen Nachfolger des Arc Bikes im Jahr 2019 präsentiert, der aus Aluminium gedruckt wurde.

3D printed bike

Nach Empire Cycles haben viele bekannte Fahrradhersteller geschaut, ob und wie sie 3D-Druck in die eigene Produktpalette integrieren können. Aufgrund der Druckbarkeit sowie den erzielbaren Erlösen haben sich Edelstahl und Titanlegierungen deutlich gegenüber konventionellem CroMoly und Alulegierungen durchgesetzt. Das inzwischen mit Abstand meistverwendetete Verfahren ist SLM.

Anfänglich wurden insbesondere kleinere komplexe Teile, die bisher im Feinguss hergestellt worden durch 3D-Druck optimiert. Das naheliegendste Beispiel sind dafür natürlich die Ausfallenenden (z.B. mit integrierter Scheibenbremsaufnahme) sowie Muffen (Tretlagermuffe und Sattelrohrmuffe). Statt der Einschränkungen aus Gieß-, Fräs- und Drehprozessen konnte nun das Innere der Bauteile optimal auf die Krafteinwirkung angepasst werden. Dabei nutzt man Gitterstrukturen, die das Bauteil von Innen belastungsgerecht stabilisieren und dabei deutlich leichter sind als massivere Verbindungen.

Als Hersteller von Rahmenrohren und Rahmenbauhalbzeugen hat Reynolds als erster der üblichen Verdächtigen aus dieser Reihe 2018 sein eigenes 3D-Druck-Produktportfolio vorgestellt.

Larger parts, such as bottom-bracket shells, can also be produced
This particular part is titanium, but similar optimisation and pocketing can be done with stainless steel

Die (zumindest von mir gefühlte) Resonanz in der Rahmenbauerwelt war allerdings eher zurückhaltend. Die Edelstahlausfallenden waren zwar leichter als ihre CNC-gefrästen oder feingegossenen Vorgänger, dafür aber auch signifikant teurer und auch „nur von der Stange“. Das Grunddesign war mit den Teilen vorgegeben und konnte nicht kundenindividuell jedes Mal angepasst werden (vorgegebene Unterrohr-, Sitzrohr- und Strebenwinkel).

Inside Moots: the Masters of Metal – John Watson | The Radavist | A group  of individuals who share a love of cycling and the outdoors.

Mehrere (insbesondere Luxus-) Hersteller haben die Technologie schnell adaptiert und bei sich eingeführt. Moots hat z.B. neben der Scheibenbremsaufnahme auf der Antriebsseite die Kabelführung in das Ausfallende sauber integriert.

Aus Deutschland sind Urwahn aus Magdeburg 2019 als erste so richtig in Serie in das Metalldruckgame eingestiegen. Ihr spezielles Rahmendesign verzichtet auf ein durchgehendes Sitzrohr. Um die Kräfte dennoch gut verteilen zu können, wurden andere als auf dem Markt freierhätliche Komponenten benötigt. Herausgekommen ist ein schickes, komplett aufegeräumtes Stahlbike mit 3D-gedruckten Muffen, Ausfallenden und Sitzstrebenschlössern. Mittlerweile haben sie mit dem Platzhirsch auch ein E-Bike im Angebot, bei dem die Batterie schlank versteckt wird.

Ein weiteres in der MTB-Welt viel Beachtung gefundenes Projekt stammt erneut von Ralf Holleis alias Huhn Cycles.

Das Moorhuhn ist ein Trailbike, das es sowohl mit 3D-Druckteilen aus Stahl als auch Titan gibt. Von den Projekten, die ich mir ihm Rahmen dieser Recherche angeschaut habe, ist das Moorhuhn das mit den meisten 3D-gedruckten Einzelteilen (wahrscheinlich insbesondere durch die Federung). Das Maß an Perfektionismus, das in diesen Rädern steckt, sucht auf dem Kontinent seinesgleichen und liefert ein nahtloses und dennoch metallisch anmutendes Ergebnis.

Die Technologieführung im Bereich 3D-Druck und Fahrradbau liegt trotz der bisherigen Beispiele nicht in Europa oder den USA, sondern in Australien / Neuseeland. Mit Bastion und Prova befinden sich zum Einen zwei der führenden Hersteller, was den Einsatz des metallischen 3D-Drucks in der Fahrradindustrie anbelangt, in dem Land down under.

Die Reise von Bastion begann auch bei Renishaw, dem 3D-Druck-Spezialisten, der das erste 3D-gedruckte Titan-MTB realisierte. Mittlerweile besitzen Bastion ihren eigenen Maschinenpark und können inhouse produzieren. Bastion druckt in erster Linie Muffen, die dann mit Carbonrohren verklebt werden.

Bike Review: Bastion Cycles Road Disc | RAW Cycling Magazine

In der Track-Welt kennt man Bastion insbesondere für die 3D-gedruckten Komponenten wie Kurbel, Lenker und Vorbauten (meist in Artikeln reißerisch angepriesen mit: Ist das die teuerte Kurbel / der teuerste Vorbau der Welt?).

Bastion 3D printed track cranks
Bastion Argon 18 Sprint Stem
3D Printed Bike | Bastion Cycles | RAM3D in 2020 | Lightweight bike, Bike,  Cycling design

Mark Hester von Prova Cycles lässt seine generativ gefertigten Teile teilweise bei Bastion fertigen. Er hat sich allerdings auf das saubere Verschweißen zu Vollmetallrahmen spezialisiert. Hier ist ein ganz schönes Video von seinem Prozess:

Der frühere Zulieferer von Bastion und Prova heißt RAM3D und sitzt in Neuseeland.

Last but least möchten wir Tom Sturdy von Study Cycles aus England vorstellen, ehemaliger Profi-Triathlet und jetzt Titan-Rahmenbauer sowie Lehrer an der Bicycle Academy. Study lässt seine Teile ebenfalls bei RAM3D drucken und hat in puncto Komplettrad das 3D-Druckspiel mit seinem neuen Modell Fiadh auf die Spitze getrieben. Durch die Parametrisierung der einzelnen Modelle ist er in der Lage jeder Kundin / jedem Kunden ein komplett individuelles Fahrrad zu fertigen und damit die Vorteile des 3D-Drucks richtig auszunutzen.

An diesem Fahrrad ist im Prinzip alles additiv produziert worden, was geht. Die Highlights zeigen wir im Folgenden.

Sattelstützenmuffe
Sattelklemmung
Kurbelset
Vorbau
Steuerrohrmuffe sowie Gabelkrone

Zum Abschluss möchten wir noch einen Ausblick geben, wo die Reise zukünftig hingeht. Wie bereits erwähnt, verwenden die meisten Hersteller im Moment SLM-Verfahren, um Bauteile additiv zu fertigen. Neue Verfahren stehen allerdings in den Startlöchern und werden 3D-gedruckte Teile in den nächsten Jahren günstiger und verfügbarer machen. Das Vielversprechendste ist derzeit Metal FDM (Fused Deposition Modelling) bzw. Metal FFF (Fused Filament Fabrication), also Schmelzschichtverfahren. Mit Multec, Markforged und Desktop Metal stehen bereits am Markt erhältliche Drucker zur Verfügung. Der Hauptunterschied zu SLM besteht darin, dass nicht pulverbettbasiert Schicht für Schicht aufgeschmolzen und damit aufgebaut werden. Viel mehr werden vereinfach gesagt Metallpartikel in eine Kunststoffmatrix (sogenannte Binder) eingebettet, wie im herkömmlichen FDM-Drucker (den jeder MakerSpace hat) verdruckt und abschließend der Binder entfernt und das Bauteil gesintert. Durch das Sintern erhält das Bauteil seine Festigkeit. Mehr Infos gibt es hier.

Kennt ihr noch spannende 3D-Druckprojekte aus der Fahrradwelt? Lasst gern einen Kommentar da.

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