In meiner Rubrik „10 Fragen an …“ nehmen mehr und mehr Bike-Restauratoren einen festen Platz ein. Nicht weil ich sonst niemandem meine Fragen aufzwingen könnte, sondern, weil es für mich schon immer faszinierend war, wie man die im Objekt wohnenden Werte und Qualitäten herauslockt und scheinbar Veraltetem und Wertlosem zu neuem Glanz verhilft. Nicht zu vergessen natürlich der kleine Neidfaktor, der sich bei mir immer wieder angesichts von Menschen einschleicht, die keine zwei linken Hände wie ich haben. Aber es muss ja auch einen geben, der mehr schreibt als schraubt.
Der nächste Kandidat in dieser „Abteilung Wiedergeburt“ ist die Blitzrad Fahrradmanufaktur von Matthias Kauder in Hannover. Er hat sich auf die Radepoche zwischen 1900 und 1950 spezialisiert und restauriert bzw. gestaltet authentische Einzelstücke mit dem einzigartigen Charme dieser Zeit. Matthias machte bei der Beantwortung der Fragen seiner Marke aller Ehre und schickte die Antworten tatsächlich blitzartig zurück. Vielen Dank! Und bitteschön:
1. Seit wann gibt es Blitzrad und wie bist Du auf die Idee gekommen, diese Nische zu besetzen mit Maßrahmen/-rädern im Stil von 1900 bis 1950? Die Blitz Fahrradmanufaktur ist seit Ende 2010 in Gründung, den Anstoß dazu hat ein Göricke Damenrad aus den 1950ern gegeben, das ich für meine bessere Hälfte restaurieren wollte. Das hat meine alte Leidenschaft für Fahrräder wiedererweckt und als Freund von klassischem Design und Kunststudiumversager hat sich da eine Jobperspektive geradezu angeboten. Das Fahrrad meiner Freundin ist übrigens bis heute nicht wirklich fertig.
2. Wie würdest Du Deine Arbeit selbst beschreiben? Bist Du Rahmenbauer, Rad-Designer, Rad-Veredler, Restaurator, alles zusammen oder was ganz Anderes? Das hängt ganz vom Projekt ab, im Grunde bin ich Mädchen für alles was mit Fahrrädern zu tun hat. Phasenweise sitze ich eher vor dem Skizzenblock und dem Rechner oder ich bin ganz Handwerker. Genau diese Mischung macht die Arbeit spannend, ich könnte niemals nur entwerfen oder nur handwerkeln, das würde mich schnell langweilen und ich würde zwangsläufig das Handtuch werfen.
3. Betreibst Du Blitzrad schon hauptberuflich oder (noch) als Hobby? Zur Zeit würde ich es als Vollzeithobby bezeichnen, bevor ich richtig hauptberuflich durchstarten kann, müssen noch andere Räumlichkeiten und Geld her.
4. Was fasziniert Dich gerade an den Räder aus dieser Epoche? Die Geschichte, das Design, die einfache und quasi unverwüstliche Technik.
Als Beispiel: Ich hatte letztens ein Rad von 1936 hier, da zwingt einen das bloße Alter schon fast dazu, sich damit auseinanderzusetzen, wie viele Menschen schon damit gefahren sind und welche Geschichten sie mit dem Rad vielleicht erlebt haben. Das ist zwar pure Spekulation und Phantasie, aber gerade das verleiht einem so alten Stück eine besondere Ausstrahlung.
Ganz besonders freut sich das Mechanikerherz, wenn man eine 75 Jahre alte Fichtel & Sachs Nabe zerlegt und das Innenleben kaum Verschleißerscheinungen zeigt. Ich denke dass es ein besserer Ansatz war, Fahrräder auf Langlebigkeit hin zu bauen als auf möglichst billige Produktion oder auf Gewichtsersparnis hin.
5. Was bedeutet Stahl als Rahmenmaterial für Dich? Stahl ist ehrlich. Er läßt sich wunderbar bearbeiten und bietet optimalen Komfort. Stahl hat den großen Vorteil, dass sich eventuelle Schäden nach Stürzen oder Unfällen lange im Vorfeld durch Verformungen oder Risse ankündigen. Aluminium, Carbon & Co können das einfach nicht leisten, die Reparaturmöglichkeiten sind sehr begrenzt. Stahl ist das Material der Wahl, wenn es darum geht, langlebige Rahmen zu bauen.
6. Warum setzen viele Menschen heute wieder auf restaurierte und veredelte Vintagebikes anstatt z.B. auf moderne Stahlrenner oder Singlespeeder á la Fixie Inc.? Das tun glücklicherweise die wenigsten. Auch wenn das fast so klingt als ob ich kein Geld verdienen wollen würde, ist es mir doch ganz recht so. Ein Einzelstück möchte auch auffallen und etwas besonderes bleiben.
Zur Zeit beobachte ich eher einen großen Trend hin zu modernen Fixies bzw. Singlespeedern, ich bin zu „anti“, um das gut zu finden und es wäre mir ein Graus, wenn echte Vintagebikes zur Mode werden würden. Sonst würden irgendwann billige Halbrenner-Abklatsche im Baumarkt stehen und die kleine Nische wäre kaputt.
Ich glaube dass Menschen erst an die handwerkliche Qualität und an die Details von Oldtimern oder Fahrrädern auf Maß herangeführt werden müssen. Für die meisten Menschen sind Fahrräder eben Fahrräder, erst durch genaue Dokumentation im Blog oder persönliche Gespräche erschließt sich den meisten der Unterschied zwischen Massenware und einem Unikat. Und das ist dann der Moment, wo eine Liebe entsteht und der Wunsch geweckt wird, ein ganz persönliches Einzelstück mit Geschichte fahren zu wollen.
7. Woher kommen Deine Kunden? Aus der Region oder inzwischen auch darüber hinaus? Internet sei Dank habe ich restaurierte oder modifizierte Teile in ganz Deutschland und bis nach Italien und Österreich verschickt. Mit einem Ladengeschäft würde sich das sicherlich überwiegend auf die Region konzentrieren.
8. Wie viel Zeit hast Du selbst zum Radfahren? Zur Zeit nutze ich das Fahrrad vorwiegend als Transportmittel, die Zeit um das Radfahren als Freizeitbeschäftigung zu betreiben, fehlt mir oft.
9. Was für ein Rad fährst Du selbst am liebsten? Am liebsten natürlich immer das neueste Projekt, für mich ist ein fertig montiertes Rad immer wie eine Geburt, oft habe ich Wochen mit dem Fahrrad verbracht und an Details getüftelt, bevor es dann als fahrbares Vehikel vor mir steht. Dementsprechend schwer fällt es mir dann auch, es abzugeben.
Und selber fahre ich, Asche über mein Haupt, ein Fahrrad von einer Auktion des Fundbüros. Ein langweiliges Herrenrad aus den 80er Jahren, aber immerhin mit gemufftem Stahlrahmen.
10. Was sind Deine nächsten Projekte und Pläne bei Blitzrad? Nebst diversen Kleinprojekten ist als nächstes großes Projekt ein Fahrrad im Stil eines Rovers geplant, eventuell mit Anleihen eines Pedersen-Rades. Da in ich designtechnisch noch am tüfteln. Und da ich zur Zeit quasi in meiner Werkstatt wohne ist mittelfristig geplant, einen externen Werkstattraum anzumieten. Der Weg zur Arbeit ist zwar unschlagbar kurz aber auf Dauer müssen andere Räumlichkeiten her.
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