Sportgerät für Straße und Staub: Pure Bros Cyclocrosser im Test

Was tut man als Nicht-Cyclocrossfahrer, wenn man einen Stahlrahmen-Cyclocrosser zur Testfahrt angeboten bekommt? Nun, man sagt natürlich zu (irgendwann ist immer das erste Mal) und versucht das Bike so zu fahren, wie man eben mit dem persönlichen Fahrstil ein solches Bike fahren würde: auf Asphalt sowie Schotter- und Forstwegen im regionalen Angebot.

Bei diesem Querfeldein-Objekt handelt es sich um den Pure Bros Cyclocrosser, der 2012 das Licht der Bike-Welt erblickt hat und schlicht und einfach (wie alle seine puren Bike-Geschwister) nach seinem gedachten Einsatzzweck bezeichnet wird.

Ausstattung: Der Test-Crosser wurde mit einem soliden Mittelklasse-Komponenten-Mix ausgestattet, der aber beliebig variiert werden kann. Laut Pure Bros Chef Johannes Brunnenkant entscheiden sich die meisten Kunden ohnehin für das Rahmen-/Gabelset, um ihre Komponentenvorstellungen selbst in die Hand zu nehmen.
Am Testrad verbaut waren die SRAM Apex Schalteinheit inklusive Kurbel, Fulcrum Racing 7 CX Laufräder mit Schwalbe CX Comp Bereifung, Avid Shorty 4 Cantis, FSA-Steuersatz, Lenker, Vorbau und Sattelstütze von 3T, Fizik Airone Sattel.

Rahmen & Qualitätseindruck: Das Komplettrad kam wie aus einem Guss daher. Die Schweißnähte des in Taiwan produzierten Stahlrahmens aus doppelt konifizierten CroMo-Rohren mit klassischen Durchmessern sind nicht verschliffen und wirken (unter der Pulverbeschichtung) makellos. Das Schaltauge an den Edelstahl-Ausfallenden ist cross-typisch austauschbar.

Als Gabel war eine hochwertige Easton EC90X Cross Vollcarbon-Gabel verbaut. Diese passt meiner Meinung nach optisch nicht so ganz zum schlanken Rahmen, bietet aber den seltenen Vorteil integrierter Ösen und Gewinde zur Schutzblechbefestigung. Standardmäßig wird beim Rahmen-/Gabelset die nicht weniger wertige 1 1/8 Zoll ENVE Cyclocross Gabel verbaut, die mit ihrem schlankeren, kantenlosen Profil harmonischer wirkt. Die maximale Reifenfreiheit beträgt satte 40mm ohne Schutzbleche. Apropos Schutzbleche: die rahmenseitig integrierten Schutzblechösen am Hinterbau des Crossers dürften zum Beispiel beim Einsatz als Winterrad die Herzen der Fahrer/innen erfreuen.

Die Gabeln werden übrigens in Rahmenfarbe lackiert. Ab Werk gibt es den Pure Bros Crosser in weißer Pulverbeschichtung, die in Deutschland ausgeführt wird. Weiß? Das dürfte manche aufgrund drohender Schlammschlachten verwundern. Aber putzen muss man sowieso alle Rahmen in jeder Farbe. Gegen Aufpreis ist übrigens jede RAL-Farbe machbar.

Anmerkung: Pure Bros verzichtet bewusst auf aktuelle Technologien wie 44mm Steuerrohre, BB30 oder PressFit Innenlager und Scheibenbremsen. Warum? Johannes sagt, weil die funktionalen Vorteile ohnehin begrenzt sind und sich nicht auf alle Fahrertypen übertragen lassen. Weil das, was bis vor kurzem top war, nicht plötzlich schlecht ist (womit er sicher recht hat, wenn man sich z.B. das Swiss Cross von Tom Ritchey betrachtet). Und weil ansonsten der puristische, klassische Charakter der Räder verfälscht würde. Wie immer werden hier die Ansichten weit auseinandergehen. Aber das ist ja auch gut so, wenn nicht jeder den gleichen Geschmack hat. Nur so entsteht Vielfalt!

Testfahrt: Mein Testrad stand leider nur in Größe M (lieferbar sind S, M, L, XL und XXL) zur Verfügung. Diese Größe eignet sich zwar offiziell für Menschen bis 1,80m, war für meine 1,80m aber trotzdem etwas zu klein. Das Ergebnis war eine etwas zu große Überhöhung zwischen Sattel und Lenker (deutlich höher als hier auf dem Foto), die sehr sportliche Fahrer aber nicht stören dürfte. Für meine etwa aufrechtere Sitzposition würde ich eher Größe L wählen. Und zur Testfahrt konnte ich u.a. dank meines grandiosen Selle An-Atomica-Sattels auch das verschmerzen.

Die rund 9,5 kg Gewicht machten richtig Laune, zumal wenn man wie ich einen 13kg Randonneur gewohnt ist. Mit einem Komponenten-Ugrade käme man locker unter 9 kg. Das Rad fühlte sich auf Schotter wendig , aber gut kontrollierbar an, ohne nervös zu sein. Die Kraftübertragung gefiel mir auf allen Belägen richtig gut, vor allem auch an Steigungen und im Wiegetritt ging es deutlich vorwärts. Auf Asphalt kommt schon fast Rennrad-Feeling auf, was durch die dicken Crossreifen natürlich etwas gebremst wird. Die 35mm Schwalbe CX Comp Semislicks sorgten im Zusammenspiel mit dem Stahlrahmen für tollen Komfort und sind klasse Allroundreifen für die Straße und feste Untergründe.

Ich muss zugeben, dass ich vor der ersten Testfahrt etwas skeptisch den Cantis gegenüber war. Meine letzten Erfahrungen an einem Trekkingrad führten zur sofortigen Umrüstung auf V-Brakes. Umso überraschter war ich von den günstigen Avid Shorty 4. Eine derartige Bremskraft und feine Dosierbarkeit hätte ich nicht erwartet. Auch bei kurvigen 50 km/h Abfahrten auf sehr schlechtem Asphalt hatte ich immer ein sicheres Gefühl – ohne Quietschen und Rubbeln. Tja sogar bei vermeintlich „veralteten“ Technologien scheint die Entwicklung weiterzugehen.

Zum SRAM Apex Antrieb muss man eigentlich nicht viel sagen: er funktioniert reibungslos und präzise und die Double Tap Brems-/Schalthebel mag man eben oder nicht.

Fazit & Kosten: Der Pure Bros Cyclocrosser ist kein Tourer, sondern ein echter Sportler, mit dem man natürlich auch längere Etappen fahren kann: direkt, wendig, schnell und gleichzeitig dank dicker Reifen und Stahlrahmen komfortabel. Bei 500 Euro für den Stahlrahmen bzw. 850 Euro inkl. Carbongabel dürfte er gerade auch für Cross-Fahrer mit kleinerem Budget eine echte Option sein. Das Komplettrad kostet in der soliden Test-Ausstattung übrigens 1.700 Euro, was ich für mehr als fair halte. Für eine Wunschfarbe sind zusätzlich 80 Euro zu berappen.

Der Crosser eignet sich dank Schutzblechösen (insbesondere mit der Easton Gabel) auch für das Wintertraining auf der Straße oder durch die große Reifenwahlfreiheit als Allrounder für Menschen, die sich gerne sportlich auf Asphalt und im leichten Gelände bewegen wollen, aber keine Lust auf 2 Räder haben.

Und dank der geringen Stückzahl von 50 Exemplaren pro Jahr ist auch noch für eine gewisse Exklusivität gesorgt, die sich nicht über den Preis definiert.

0 Kommentare zu “Sportgerät für Straße und Staub: Pure Bros Cyclocrosser im Test

  • „Weil das, was bis vor kurzem top war, nicht plötzlich schlecht ist“ – das klingt mir zu sehr nach UCI. Cantis waren bis vor kurzem top, weil nichts anderes erlaubt war. Crosser ohne Scheibenbremsen sind vielleicht schickes Vintage, aber technisch veraltet.
    Natürlich brauchen „echte“ Cyclocrosser keine Scheibenbremsen, aber für den 0815-Rennradfahrer, der im Winter auf den Crosser umsteigen will sind sie in Extremsituationen (vor allem im Straßenverkehr, den man wohl nie umgehen kann, wenn man in der Stadt wohnt und nicht mit Auto oder Bahn zum Training fährt, bei Nässe und Schnee etc.) eine Lebensversicherung.

  • Hi Andreas,
    ich denke es geht hier vor allem um persönlichen Geschmack und die Frage, ob jede technische Neuerung, die der Markt als Innovation feiert, tatsächlich notwendig ist. Scheibenbremsen sind sicher ein enormer Fortschritt (ich fahre selbst welche am Randonneur) und mit Sicherheit auch im Cross-Rennsport nicht aufzuhalten (in ein paar Jahren mit Carbonscheiben wahrscheinlich auch am Rennrad), aber so what: es gibt Profis, die ihre Rennen auch mit Cantis gewinnen. Und „Lebensversicherung“ finde ich ziemlich martialisch, wenn ich mir überlege, mit was für Gurkenbremsen ich früher gefahren bin … und ich lebe immer noch. Für manche Radler passt klassische Technik einfach besser zum persönlichen Fahrstil.

    Gut, dass es (anders als früher) heute für jeden Geschmack die passende Lösung gibt.

    Viele Grüße
    Iwo

  • …Man muss sich nur den aktuellen Cross World Cup ansehen, 80% fahren nach wie vor Cantis und das sicher nicht, weil sie alle Selbstmordgedanken in sich tragen;-)

    Die Legenden wie Richard Sachs, Tom Ritchey, Chris King mit Cielo, sie setzten nach wie vor auf Cantis bzw V-brake und das ganz bewusst.

    Selbst Ridley – the godfather of Cyclocross, alle aktuellen Topmodelle mit Cantis.

    Aber das Gute ist, sowohl Canti als auch Scheibe hat seine Berechtigung.
    Es lebe die Vielfalt!

  • @Iwo: nein, das ist nicht martialisch. Es macht einen Unterschied aus, ob ich im Gelände unterwegs bin und bei der Abfahrt mit schlechten Bremsen oder schlechter Bremstechnik vielleicht im Schlamm lande oder im Straßenverkehr bei 35-40 km/h den entscheidenden Meter zu spät zu stehen komme. Für mich ist eine gute Bremse tatsächlich eine Lebensversicherung. Mit 20 km/h sieht das sicher viel entspannter aus – aber dafür benötige ich – zumindest auf der Straße – keinen Crosser. Ich denke mal, dass viele Crosser eher „zweckentfremdet“ auf der Straße als im Gelände genutzt werden.
    Übrigens hat Elmar zur Frage der Bremsen bei Cross-Sportlern sehr einleuchtende Ansichten: Warum fahren Profis keine Mini-V?. Der Text stammt noch aus der Zeit, als Scheiben wegen der UCI undenkbar waren, weshalb es nur um die Frage Mini-V oder Cantis geht.

  • Wie gesagt: Ich fahre ja selbst Scheiben, weil sie mir ein sichereres Bremsgefühl geben. Und Scheiben am Crosser sind in Zukunft sicher bald Standard. Es ist ja auch gut, dass es solche Weiterentwicklungen gibt. Dennoch wird es wahrscheinlich auch in Zukunft Fahrer geben, die eher auf klassische Bremsen stehen, aus Retrogründen oder warum auch immer. Und die können ja auch selbst beurteilen, ob ihnen die Bremskraft von Cantis oder Mini-Vs reicht. Ich finde es einfach gut, dass es Vielfalt gibt und nicht alle die gleiche Kuh durchs Dorf treiben. Aber wer weiß: letztendlich entscheidet die Nachfrage.

  • Pingback: cat8888

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