E-Bikes und Pedelecs sind nicht aufzuhalten und leisten schon heute einen wachsenden Beitrag dazu, die Innenstädte (seeeeeehr) langsam aber (ziemlich) sicher autofrei zu bekommen. Außerdem machen sie das Radeln wieder für Menschen attraktiv, die bislang aus körperlichen oder Lust-und-Laune-Gründen nicht so viel damit anfangen konnten.
Ein neues E-Bike bzw. Pedelec ist allerdings (noch) eine ziemlich teure Angelegenheit. Und auch mit dem Design treffen manche Hersteller weit neben die Regeln des guten Geschmacks. Wäre es da nicht viel einfacher, das vorhandene, sorgsam ausgewählte Bike elektrisch nachzurüsten – zum Beispiel den geliebten, unverwüstlichen Stahlrahmen, der einen schon jahrzehntelang treu durchs Leben begleitet hat?
Das bikenest in Berlin zeigt, wie man auch den Retro-Renner aus Stahl durch vergleichsweise günstige Umrüstung per Mittelmotor oder Nabenmotor einfach elektrifizieren kann. Alexander Lemmer vom bikenest war so freundlich, mir meine quälenden 10 Fragen zur Pedelec-Nachrüstung zu beantworten:
1) Seit wann gibt es das bikenest und wie seid Ihr auf die Idee gekommen, Pedelec-Nachrüstungen anzubieten? Bikenest ist seit mitte März 2012 online. Um die Entstehung von bikenest.de darzulegen, muss ich etwas weiter ausholen. Der Ursprung liegt quasi in der Agenturarbeit von Firmennest, unserer Internet-Agentur hier in Berlin. Als wir unseren Fuhrpark mit Pedelecs ausrüsten wollten, merkten wir schnell, dass es kaum optisch ansprechende Pedelecs für uns gab. Zugegeben sind wir da auch sehr von unseren schlanken Stahlrennrädern geprägt. So haben wir uns intensiv mit Pedelec-Nachrüstsätzen beschäftigt, um unsere individuellen Pedelecs aufzubauen. Nach und nach hat uns das Pedelec-Fieber gepackt und schließlich haben wir aus unseren beiden Leidenschaften – Fahrrad und Internet – ein eigenes Projekt aus der Taufe gehoben: bikenest.de. Das technische Know-How für den Shop liegt also in unserer Internetagentur Firmennest.de. Der technische Support und die Weiterentwicklung von bikenest.de ist nun meine Aufgabe seit Anfang 2012. Unsere Ausrichtung ist sehr eng auf hochwertige Systeme gesetzt, bei denen wir umfassenden Support und genaue Kenntnis der Technik gewährleisten können. Also qualitative Individualität statt Massenware.
2) Wie funktioniert die Nachrüstung und welche Umbausätze gibt es? Bei der Nachrüstung gibt es grob gesagt drei Wege: Erstens gibt die Nachrüstung durch einen Vorderradnabenmotor. Hierbei wird das Vorderrad durch ein neues Vorderrad mit Nabenmotor getauscht. Hier bestehen zwei Nachteile. Einerseits muss ein separater Drehbewegungssensor für die Kraftsteuerung an der Kurbel verbaut werden, zusätzlich zum Steuergerät, Bedienpanel und Akku. Andererseits sind normale Vorderradgabeln und Lenkkopfaufnahmen nicht für die Zusatzbelastung eines Elektromotors ausgelegt und die Folgen eines Materialbruchs in diesem Bereich möchte ich mir nicht ausmalen. Deswegen viel diese Variante bei uns durch.
Zweitens gibt es Pedelec-Umbausätze für das Hinterrad. Hier haben wir Systeme, die mit integrierter Drehmomentsteuerung ausgestattet sind. Das alte Hinterrad wird durch das Hinterrad mit Nabenmotor getauscht, der Akku und das Bedienpanel werden montiert und fertig ist das individuelle Pedelec.
Drittens gibt es einen nachrüstbaren Mittelmotor, der direkt im normalen Tretlagergehäuse Platz findet. Auch dieser ist mit einem integrierten Drehmomentsensor für die Kraftsteuerung ausgestattet. Die komplette Einheit wird inkl. Ritzel und Kurbeln in das Tretlagergehäuse geschoben, der Akku und Bedienpanel werden montiert, fertig.
3) Welche Räder kann man nachrüsten und welche nicht? Prinzipiell ist nahezu jedes Fahrrad nachrüstbar. Hier kommt es vor allem auf die gewünschte Ausstattung an. Bei den Hinterradnabenmotoren zum Beispiel sollte die Achsbreite 135mm sein und Nabenschaltungen sind nicht verwendbar. Kettenschaltungen und Bremsscheiben sind hingegen kein Problem. Der Mittelmotor passt in jedes Standard-Tretlagergehäuse und auch Nabenschaltungen können hier verwendet werden. Für die Akkumontage ist eine Trinkflaschenhalterung ideal als Befestigung, es gibt aber auch andere Möglichkeiten. Als Alternative gibt es zusätzlich die Möglichkeit des Gepäckträgerakkus. Von Carbon-Mountainbikes über Tandems bis zu Liegerädern haben wir schon fast alle Fahrradtypen mit Nachrüstsätzen versorgt.
4) Ihr setzt bei Euren Testrädern derzeit auf Stahlbikes. Warum? Wie anfangs schon angedeutet, sind wir große Fans von Stahl-Rädern. Neben den Pedelecs fahren wir alte Stahlrenner, teilweise umgebaut auf Singlespeed für die Berliner Innenstadt. Die filigrane und schlanke Optik ist konkurrenzlos. Außerdem verkörpert Stahl für mich auch Langlebigkeit und Qualität, wofür mein altes Moser das beste Beispiel ist. Mit den Nachrüstsätzen war es uns möglich, diese Eigenschaften mit moderner Technik zu kombinieren. Für mich die schönste Variante von Pedelecs.
5) Warum sollte man ein Bike überhaupt zum Pedelec umrüsten? Sicherlich ist eine Umrüstung nicht immer notwendig und wir haben auch genug Kunden, die es mehr aus Leidenschaft zur Technik machen. Praktisch gibt es ein paar Gründe, bei der eine Umrüstung Sinn macht. Sei es für ältere oder körperlich eingeschränkte Personen, die ohne elektrische Unterstützung kein Fahrrad mehr fahren können/wollen oder für Tourenfahrer, die Ihre Durchschnittsgeschwindigkeit und Reichweite erhöhen wollen. Wir selber nutzen es für unseren Weg ins Büro und Termine in Berlin, um schnell und unverschwitzt von A nach B zu kommen. Also quasi ein Auto-Ersatz. Auch hinsichtlich Lastenfahrräder oder bei Fahrradanhängerbetrieb macht eine elektrische Unterstützung Sinn. Letzten Endes ist es aber auch ein großer Spaßfaktor, man wird schnell süchtig wenn man einmal mit einem Pedelec in Kontakt gekommen ist. Ich persönlich stelle diesen Grund vor allen Wirtschaftlichkeitsrechnungen z.B. gegenüber dem Auto. Sicherlich gibt es auch Vernunftsgründe für ein Pedelec, die Freude an der Fortbewegung ist meiner Meinung nach aber das Wesentliche.
6) Was sind die Vorteile der Nachrüstung im Vergleich zu einem neuen Pedelec? Die Individualität. Man kann sich sein Wunschrad zusammenstellen hinsichtlich Optik und Technik. Für jedes Einsatzgebiet schmiedet man sich sein eigenes Pedelec. Auch gibt es viele Kunden, die sich vor einiger Zeit ihr Traumrad zugelegt haben und diesem mit einem Nachrüstsatz zu einem zweitem Frühling verhelfen. Wieso also ein neues Pedelec kaufen, wenn man sein eigenes Fahrrad mit derselben Technik ausrüsten kann, die auch in Fertig-Pedelecs zu finden ist.
7) Woher kommen Eure Kunden? Aus Berlin und der Region oder auch darüber hinaus? Durch unseren Online-Shop vertreiben wir in ganz Deutschland und in das europäische Ausland. Viele Kunden kommen aus dem süddeutschen Raum, dort sind Pedelecs schon wegen der Topographie etwas präsenter. Die Berliner Kunden kommen zudem auch zu uns in das Geschäft, um unsere Stahl-Pedelecs Probe zu fahren, bevor Sie das passende System bestellen. Ein paar Systeme gingen auch ins Ausland, z.B. nach Österreich.
8) Wie viel Zeit hast Du selbst noch zum Radfahren? Ich fahre fast jeden Tag. Da ich allerdings gerade umgezogen bin und nur 7 Minuten zu Fuß zu unserem Geschäft laufe, sind die täglichen Fahrten zur Arbeit leider weggefallen. „Leider“ ist dabei relativ, es hat natürlich auch Vorteile, so nahe bei der Arbeit zu wohnen. Für Termine und Erledigungen unter der Woche fahre ich zu 90% Fahrrad bzw. Pedelec. Am Wochenende bin ich regelmäßig mit dem Rad in Berlin unterwegs, dann widme ich meist meinem Moser ohne Pedelec-Nachrüstsatz mehr Zeit. Das Radfahren ist also gut in meinem Alltag eingebunden.
9) Was für ein Rad fährst Du selbst am liebsten? Ohne elektrische Unterstützung: Mein Moser Stahlrenner. Ich besitze dieses Rad seit nun gut 6 Jahren und habe es vor 2 Jahren zum Singlespeed umgebaut. Es ist ein Genuss damit am Berliner Verkehrschaos vorbeizuziehen. Mittlerweile bewege ich es meist am Wochenende und somit ist es ein wenig zum Schönwetterfahrzeug geworden.
Unter der Woche und im Alltag ist das Creme Caferacer mit BionX Hinterradnabenmotor mein Favorit. Es wird auch als Singlespeed betrieben, und jedesmal wenn die Ampel auf Grün schaltet, bekomme ich wegen der Beschleunigung das Grinsen nicht mehr aus meinem Gesicht. Zudem habe ich die Schutzbleche bei Regen lieben gelernt.
10) Was sind Eure nächsten Projekte im bikenest? Wir haben momentan ein paar neue Hersteller für Nachrüstsätze im engeren Test und werden wahrscheinlich den ein oder anderen in baldiger Zukunft in unser Sortiment aufnehmen. Darüber hinaus erweitern wir unsere Produktpalette um eine kleine aber feine Auswahl von Fertig-Pedelecs. Unser Fokus liegt dabei auf optisch und technisch ansprechenden Modellen. Individualität mit enger Kundenbetreuung ist unsere Nische, die uns bisher sehr gut voran gebracht hat. Daran wollen wir festhalten.
Jakob sagt:
Die Umrüstung von einem Rennrad kommt mir ziemlich sinnlos vor. Bei der airodynamisch günstigen Körperhaltung eines Rennrads und halbwegs leichtlaufenden Reifen kommt man auch ohne Elektroantrieb ohne viel Anstrengung auf mehr als 25 km/h. Da sich bei einem legalen Pedelec der Antrieb bei >25 km/h abschalten muss, kann der Elektroantrieb die gefahrene Geschwindigkeit im Normalfall kaum erhöhen. Lediglich bei längeren Steigungen (und beim Beschleunigen) bringt der Antrieb überhaupt einen Vorteil.
Alex sagt:
Sicherlich kann man gerade bei einem Rennrad über einen Pedelec-Antrieb streiten. Aber wie Du schon sagtest merkt man bei längeren Steigungen und beim beschleunigen die Vorzüge der elektrischen extra Power zu schätzen. In der Stadt mit vielen Rotphasen erhöht sich durch die schnellere Beschleunigung auf die „Wohlfühlgeschwindigkeit“ die Durchschnittsgeschwindigkeit merklich. Im Gegenzug muss man natürlich das Zusatzgewicht von ca. 5-8 kg (je nach System) wieder entgegensetzen. In Berlin bin ich insgesamt mit Elektrounterstutzung schneller unterwegs (im Durchschnitt) als ohne diese.
Die Höchstgeschwindigkeit erhöht man mit einem Pedelec Antrieb nicht aber die Beschleunigung bis 25km/h erreicht man deutlich schneller und somit wird die Durchschnittsgeschwindigkeit erhöht.
Hermann sagt:
Ich besitze das Stahlrad Dubin von Patria, wegen meiner Körpergrösse in der Übergrösse Pro-XL. Das Fahrrad möchte ich nicht mehr missen. Um die Reichweite bei Radtouren zu vergrößern, denke ich über eine Umrüstung zum Pedelec nach. Dabei sollte die Dual-Drive-Schaltung mit 27 Gängen erhalten bleiben. Kommt hier ein Mittelmotor in Frage? Kann man den Akku auch in Fahrradtaschen am Gepäckträger unterbringen?
Iwo sagt:
Hallo Herrmann,
ich würde mich an Deiner Stelle direkt an einen Umrüster wie das bikenest wenden. Da bekommst Du sicher am schnellsten kompetente Antwort.
Viele Grüße
Iwo
Otto Müller sagt:
Danke für den Beitrag zum Thema Elektrofahrrad. Ich bin schon länger auf der Suche nach weiteren Informationen hierzu.
https://www.bike-mobil.de/fahrraeder