Ich vorne die große Scheibe und hinten steh’n se auf: Pyttel Rahmenbaukurs

Eigentlich ist dieser Artikel vom reinen Informationsgehalt her ziemlich überflüssig. Schließlich gibt es schon Forenbeiträge von Teilnehmern an Rahmenbaukursen von Christian Pyttel. Und es gibt einen aktuellen TOUR-Beitrag über die Erlebnisse eines Redakteurs als unbedarfter Rahmenbauer.

Trotzdem: ein Pyttel-Rahmenbaukurs ist mit Sicherheit etwas anders als jeder andere, die damit nicht schlechter sind, aber eben … anders.

Dieser Kurs war für mich schon Mal ungewöhnlich, weil ich bei der Einladung nicht wusste, dass es ein Exklusivkurs für drei Velohelden werden würde, die sich ihre Traumrahmen (Bahnrahmen, Commuter und Crosser) bei Meister Pyttel muffenlos zusammenlöten wollten. Er war ungewöhnlich, weil sie nicht (wie vielleicht zu erwarten wäre und wie es die meisten Kursteilnehmer tun) klassische Rahmendesigns als Vorlage entwickelt hatten, sondern drei vollkommen unterschiedliche, moderne Stahlrahmenkonzepte mit Reynolds 853 Rohrsätzen und Details, die Herr Pyttel selbst noch nie gebaut hatte, z.B. Scheibenbremsenaufnahmen. Aber wer ein echter Rahmenbau-Experte ist, scheut eben auch vor spontanen Herausforderungen nicht zurück.

Er war ungewöhnlich, weil man bei Herrn Pyttel nicht nur einen Stahlrahmen-Guru live bei der Arbeit erleben kann, sondern auch einen witzigen Geschichtenerzähler mit einer schier endlosen Schublade spannender und kurioser Stories aus der großen, weiten Welt des Radsports. Weil man Radsportlegenden (und Kunden) wie Olaf Ludwig und Michael Hübner wiederauferstehen sieht. Weil man das vielleicht umfangreichste Campagnolo-Museum nördlich der Alpen betritt. Weil man in einer Werkstatt steht, in der für wirklich jeden noch so kleinen Handgriff passgenaues Werkzeug vorhanden ist, das zum Teil (weil nicht kaufbar) selbst entwickelt wurde. Weil man auf einmal staunend Campa Ergopower 11-fach Hebel und eine passende Kassette in der Hand hält, die aus 10-fach-Komponenten entwickelt wurde, noch bevor Campagnolo selbst das Ganze marktreif hatte.
Und weil man die große Wertschätzung von Radsport-Monumenten wie Eddie Merckx, Miguel Indurain und Jan Ulrich in Form signierter Trikots nachvollziehen kann.

Deshalb schreibe ich an dieser Stelle auch nichts über Löten, Fräsen und Feilen, sondern präsentiere im Bild einen spannenden, lehrreichen und unterhaltsamen Rahmenbaukurs bei einem bescheidenen, freundlichen Menschen, mit dem man gerne Kartoffelsuppe und Bockwurst isst. Und der auch heute noch 53/42 – 12/23 mit seinem feinen Stahlrenner aus legendärem Reynolds 753 fährt.

Übrigens stammt die Überschrift zu diesem Artikel ebenfalls aus mündlicher Überlieferung – als Geschichte zu einem Foto, das Christian Pyttel bei einem Radrennen zeigt: er in Führung mit dem großen Blatt und sitzend am Berg, das Peloton hinter ihm im Wiegetritt.

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