Es bleibt schwierig: von den Kriterien beim Stahlrahmenkauf.

Momentan denke ich intensiv darüber nach, meine wieder entdeckte Liebe zum Radfahren in Form eines Rennrads zu manifestieren, das ich mir im nächsten Winter selbst aufbauen möchte.

Als Recherche-Berserker, Stahlrahmenbauer-Listenersteller und EHBE-Besucher habe ich einen recht guten Überblick über den aktuellen Markt.

Gerade weil ich sowohl die exklusiven Custom-Stahlrahmenbauer als auch die günstigeren, serienorientierten Hersteller im Blickfeld habe, stellt sich mir die persönliche Frage nach den „Kriterien“ bei der Auswahl des passenden Rahmens.

Ich habe für mich 3 identifiziert: den Geschmack, die eigene Leistungsfähigkeit und den Geldbeutel.

1) Geschmack: Stahl als Rahmenwerkstoff ist ohnehin klar. Klar ist auch, dass ich eher auf dünnere als dickere Rohrdurchmesser stehe. In der Verbindungstechnologie merke ich, dass ich mich inzwischen auch mit geschweißten Rahmen anfreunden kann, was früher ein absolutes No-Go darstellte. Einen muffenlos gelöteten Rahmen (Fillet Brazed) habe ich ja schon mit meinem Nöll T3. Und in meiner ersten Rennradära vor 20 Jahren war italienisch Gemufftes für mich (und die meisten anderen) Pflicht.

Noch wichtiger als das alles ist allerdings das Rahmendesign. Generell würde ich eher einen schlichten, schnörkellosen Rahmen mit moderner Optik bevorzugen, also beispielsweise keine italienischen Rahmen mit verchromten Retro-Muffen, sondern eher etwas im Design des Cielo Sportif (2.000 Euro) oder Surly Pacer (400 Euro).

Ich bin mir noch nicht im klaren, ob es ein gerades Oberrohr sein sollte oder doch leicht gesloped.
In jedem Fall finde ich das Hardcore-Sloping á la Salsa Pistola ziemlich überzogen und wenig ästhetisch. Dazu kommt natürlich noch der Hang zu weniger bekannten „Außenseiter“-Marken, die die eigene Individualität betonen und für eingewisses exklusives Flair unter dem Hintern sorgen – wobei Exklusivität nicht mit „teuer“ verwechselt werden sollte.


Kurz gesagt: Würde ich allein meinen persönlichen Geschmack als Kriterium nehmen, würde es wahrscheinlich ein Cielo Sportif oder ein Steel Crown Jewel von Independant Fabrication werden. Oder eben ein individueller Maßrahmen z.B. von Georg Blaschke (Gebla) oder Ulrich Vogel, der diesen im Design nahe kommen sollte. Aber da ist ja noch mehr zu beachten.

2) Leistungsfähigkeit: Natürlich liegt man nicht falsch, dass man mit einem hochwertigeren, leichteren, besser verarbeiteten und vielleicht sogar auf Maß gebauten Stahlrahmen immer besser fährt – gerade auch langfristig. Was direkt schon zu Kriterium 3 „Geldbeutel“ überleiten würde.
Aber noch Mal zurück: nach etlichen Jahren der Radfahrlosigkeit hat meine Leistungsfähigkeit noch ausreichend Spielraum nach oben, bis ich 1.000 Watt treten kann. Und ich kann mir momentan nicht vorstellen, jemals wieder die 100 Kilometer Tourgrenze bzw. die 10.000 Kilometer Jahresgrenze zu durchbrechen.
Also wozu einen dieser speichelflusssteigernden Maß-Stahlrahmen für 1.500 oder mehr Euro ordern oder gleich ein Seven Resolute SLX für 2.495 Euro, wenn es auch ein muffenlos gelötetes Nöll S3 für schlappe 675 Euro (Nöll CroMo, kein Foto gefunden), ein gemufftes Bob Jackson Olympus Road (Reynolds 631) für 485 Euro oder ein geschweißtes Genesis Equilibrium (Reynolds 520) für 425 Euro sein kann?

Fahre ich mit den teureren Maß-Kandidaten besser bzw. angenehmer? Bestimmt. Ist es cooler und hat mehr Stil? Ganz sicher. Aber ist der Unterschied in punkto Leistungsfähigkeit wirklich derart eklatant spürbar, dass er den Preisaufschlag rechtfertigt? Würde es auch meinen Spaß am Radfahren derart steigern, dass dies die Preisdifferenz problemlos aufwiegt?

Kurz gesagt: Würde ich allein meine Leistungsfähigkeit als Kriterium nehmen, könnten die genannten günstigen Stahlrahmen locker meine Bedürfnisse erfüllen. Aber genau das ist ja der Punkt. Denn da ist noch mehr.

3) Geldbeutel: Das beste Preis-/Leistungsverhältnis für meinen Bedarf würden sicher die günstigeren Stahlrahmen bieten. Aber Geld allein ist ja nicht maßgebend, insofern man budgetmäßig die Wahl hat zwischen günstig und weniger preiswert, was einen tollen Luxus darstellt. Hier kommen also neben dem Geschmack noch andere persönliche Komponenten wie die generelle Einstellung zu Fragen wie „Wieviel Geld ist mir ein Nutzgegenstand wirklich wert?“ oder „Ist ein Fahrrad überhaupt ein Nutzgegenstand oder eher ein Designobjekt?“ ins Spiel.
Und genau hier schlagen auch zwei Herzen in meiner Brust: Das eine, eher objektive, das Preis, Leistung und Nutzen abwägt. Und das andere, subjektive, das die Qualitäten im Detail liebt, das Handgemachte, Kunstvolle abseits seelenloser Industrieproduktion schätzt und den individuellen Fahrstil betonen möchte.

Fazit: Es bleibt schwierig. Alle Kriterien haben ihre Daseinsberechtigung und es gilt, bis zum Entscheidungstag alle gegeneinander abzuwägen. Was dabei herauskommt? Ob es in die eine oder andere Richtung tendiert oder ob ich vielleicht sogar einen Mittelweg wählen werde? Keine Ahnung. Ihr werdet es als Erste erfahren.

Bis dahin wünsche ich Euch viel Erfolg mit Euren Stahlrahmen-Kaufentscheidungen.

0 Kommentare zu “Es bleibt schwierig: von den Kriterien beim Stahlrahmenkauf.

  • Hi Iwo,

    für diese Zerrissenheit habe ich eine einfache Lösung. Da ja dein Wunsch über den reinen „ich brauche ein Fahrrad“ Punkt hinaus ist: Kauf mindestens drei und mache jedes anders zurecht. Besitz mach glücklich – ich bin dafür ein schlimmes Beispiel – denn ich baue sogar Räder auf, die ich nicht fahren kann weil sie zu klein sind, die ber einfach gut aussehen. Andere kaufen Bilder – ich kaufe Rahmen. Liegt doch nah beieinander. Der Trend zum mehrfach Besitz sollte in unserem Fall nicht gestoppt werden. In meinem Haus stehen rund 20 Räder an den unmöglichsten Plätzen. Ja, fahren tu ich auch!
    Stay cool – bikes müssen sein.

    Andreas

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