Nach dem fast schon ausufernden ersten Tag der Berichterstattung aus Frome drückt Alex verständlicherweise ein wenig auf die Textbremse. Hier seine Schlaglichter vom zweiten Tag bei The Bicycle Academy:
Nachdem ich gestern fast drei Stunden in den ersten Bericht investiert und im Anschluss durch einen gedanklichen Overflow weniger als vier Stunden geschlafen habe, wird der zweite Bericht definitiv kürzer ausfallen. Im Gegenzug gibt es einfach ein wenig mehr auf die Augen.
Den heutigen Tag habe ich ehrlich gesagt nicht an der TBA verbracht, sondern an der TFA. Dabei steht das „F“ für Feilen. Bevor ich näher darauf eingehe, will ich noch kurz zwei Bilder von meinem eigenen Lötbrenner zeigen.
Diesen Brenner habe ich vor ca. zwei Jahren durch einen sehr glücklichen Zufall bei der Hausauflösung von Marias` Großeltern bekommen. Sehr wahrscheinlich gehörte er aber mal ihrem Ur-Opa, der Kupferschmied war. Nach einem kurzen Check war klar, dass die Anschlüsse noch immer mit dem heutigen Standard kompatibel sind und die Ventile scheinbar wie am ersten Tag funktionieren. Ich kann es kaum erwarten, morgen ehrfürchtig ein Werkzeug zu benutzen, das schon 3. Generationen vor Maria`s Existenz benutzt wurde. Sollte der Brenner einwandfrei funktionieren, werde ich diesen wahrscheinlich relativ bald mit einem Holzgriff oder etwas anderem Wertigem versehen, weil das schwarze Plastikteil einfach fehl am Platz ist.
Sollte einer der geneigten Leser das Herstellungsjahr des Brenners grob beziffern oder gar belegen können würde mich sehr über eine kurze Nachricht freuen! (Laut aktuellen Informationen ist es ein Brenner Marke „Lorch“, Anm. d. Red.)
Wie eingangs erwähnt habe ich heute wie ein Irrer gefeilt, gesägt und Rohre geheftet. Zuerst wurde das am Vortag bearbeitete Sitzrohr in der einfachen aber funktionalen selbstgebauten Rahmenbaulehre mit dem Tretlager verlobt=geheftet.
Die Schwierigkeit hierbei ist, dass das Tretlager sehr viel dicker als das Sattelrohr ist. Dementsprechend muss dieses vorher ein wenig aufgeheizt werden, bevor man erste Versuche startet, ein wenig Lot aufzubringen und eine Verbindung herzustellen.
Während das Ganze ein wenig abkühlte wurde das Unterrohr weiter von mir in Form gebracht und später direkt in der Rahmenbaulehre zwischen Sattel- und Steuerrohr angepasst.
Ich schätze, dass ich hierfür mehr als 30 Mal das Unterrohr in den Schraubstock eingespannt, bearbeitet und wieder in der Rahmenlehre überprüft habe. „Erfreulicherweise“ haben die Jungs der TBA absichtlich einen kleinen Fehler in der Einweisung eingebaut, damit man später im Eigenbau für solche Probleme gewappnet ist. Was soll ich sagen? Die Plagerei hat sich im Nachhinein gelohnt, besonders wenn man versteht, dass sich dahinter pädagogisches System verbirgt.
Das Oberrohr war dann dagegen innerhalb kürzester Zeit (<15min) angepasst und der Hauptrahmen damit bereit zum Heften, d.h. die verschiedenen Rohre werden jeweils mit nur wenigen kleinen Lotpunkten verbunden, damit man den Rahmen später ohne Lehre auf dem Tisch beim Durchlöten drehen und wenden kann. Das klappte nach der umfangreichen Übungseinheit vom Vortag relativ gut. Da Arbeitsschutz bei der TBA groß geschrieben wird, sieht das Ganze dann so aus:
Als letzte größere Einheit ging es nun an die Kettenstreben, die vor Ort gebogen, mit einer Hightech-Lehre gecheckt und unter Einsatz von leichter Muskelkraft feinjustiert wurden:
Im Anschluss durfte ich überraschenderweise wieder zu Säge und Feile greifen um das ganze auf eine korrekte Länge sowie Gehrung zu bringen. Mein heutiges Lieblingswerkzeug, das heute zwar selten in Gebrauch war und trotzdem einfach wichtig ist, weil es von Chris als „variable pressure applicator“ bezeichnet wird:
Im Folgenden noch einige Bilder, die ich nun einfach unkommentiert wirken lasse:
Alex sagt:
Maria`s Opa hat bestätigt, dass der Brenner von seinem Vater stammt und in den 50er oder 60er Jahren gekauft wurde. Ich könnte echt heulen vor Freude!
Ralph sagt:
Dieses hervorragende blog lese ich täglich und ich bedanke mich für die ersten beiden Berichte, die mir, der vom Rahmenbau nicht viel versteht und dessen Kenntnisse der Metallverarbeitung sehr eingeschränkt sind, ein Super Einblick gibt. Ich überlege schon länger, ob ich nicht unter Zuhilfenahme eines Profis einen Rahmen bauen sollte.
Bin sehr gespannt wie es weitergeht und freue mich auf weitere Details.
Michael sagt:
Sehr schöner Bericht – ich bin schon gespannt auf die nächsten.
Ich wollte nur eine kleine Bemerkung zum Brenner loswerden: wechsel den Griff nicht aus – der ist aus was Wertigem – wenn der so alt ist ist das nicht irgend ein schwarzes Plastik sondern Bakelit der erste Kunststoff überhaupt! http://de.wikipedia.org/wiki/Bakelit
Ich wünsche noch viel Spaß beim Rahmenbau!
tool time sagt:
Quality starts with you!
Dieses Bild find ich echt hammermäßig. Musste sogar etwas schmunzeln. Habe den Blog hier durch Zufall gefunden und mir in den letzten Tagen den ein oder anderen Artikel durchgelesen. Mir gefallen die Artikel hier wirklich gut und so ziemlich alle waren bislang lesenswert.
Macht bitte weiter so. Kompliment von meiner Seite.
LG
Iwo sagt:
Dankeschön!!! Das freut mich wirklich sehr. Ich gebe mir Mühe, den Qualitätsstandard zu halten ;o)
Viele Grüe
Iwo
Thomas sagt:
Ich kann mich den anderen nur anschließen. Sehr gelungener Blog udn für mich aktuelle sehr interessant, da ich nächsten Monat auch einen Kurs bei Dietmar Hertel mache. Was mich etwas grübeln lässt ist die selbstgebaute Rahmenlehre, da man diese scheinbar garnicht verstellen kann?! War die wirklich nur für eine Rahmengröße mit dementsprechend festgelegten Winkeln?
Viele Grüße Thomas