Wilde Mischung: Rennrad-Test mit Stahlbeteiligung

Gelegentlich gibt es Radtests, die beim ersten Lesen ein groß geschriebenes Fragezeichen hervorrufen. So auch bei diesem Vergleichstest der Radsport-Magazin Rennrad in der aktuellen Ausgabe 11/12 2010 (Danke Christoph!).

Dabei wurden vier bekannten Carbon-Produktionsrennern von Trek, Specialized, Focus und Univega vier Rennräder kleinerer Marken bzw. Custom-Renner von Nicolai (Alu), Krabo (Alu), Ulrich Vogel (Edelstahl) und Cubetto (Stahl) gegenübergestellt. Mein erster Eindruck: Ziemlich willkürliche, weitgespreizte Auswahl, die Äpfel mit Birnen vergleicht. Vorweg: Dieser spontane Eindruck wurde zuguterletzt dann doch relativiert. Hier eine Zusammenfassung der beiden getesteten Stahlrenner.

(Alle Fotos: Radsport-Magazin Rennrad Ausgabe 11/12 2010)

Das Cubetto von Rahmenbauer Franz Funk aus Regensburg(komischerweise ein vier Jahre altes Rad) aus gemufften Columbus Life Rohren mit querovalisiertem Unterrohr als Steuerrohr-Anschluss und Carbongabel wirkt klassisch und doch modern. Der Tester bescheinigt dem Rad ein „liebevolles Rahmenset, durchdachtes Design und sorgfältige Handarbeit“. Nur der Satz „Die vier Jahre alten Teile treiben selbstverständlich das Gewicht in die Höhe, lassen das Rad behäbig auf Antritte reagieren“ macht maximal im Vergleich mit Leightweight-Carbon-Boliden Sinn. Witzigerweise hält der Autor des Berichts Cubetto für „die unbekannteste Radschmiede, die wir kennen“. Was immerhin die Exklusivität unterstreicht.

Das „Trum“ von Ulrich Vogel aus Bamberg (wie es der Autor mehr oder weniger liebevoll nennt) besteht aus einem muffenlos gelöteten Stahlrahmen mit Sitzrohr, Ketten- und Sitzstreben aus Edelstahl (gemufft wurden das Tretlagergehäuse sowie die Sitzrohrverlängerung). Besonderheiten sind u.a. die interne Zugverlegung von Schalt- und Bremszügen sowie das verlängerte Sitzrohr. Das Test-Urteil: „Klasse Handarbeit, liebevoll gestaltet … Vogel nutzt alle Möglichkeiten, die Stahl bietet“. Aber auch hier darf eine Mainstream-Aussage nicht fehlen: „Gewicht scheint hier nebensächlich. Ästhetik war wichtiger als das Durchschnittstempo“. Als ob man mit diesem Rahmen nicht flott unterwegs sein könnte …

Ja, genauso ist es eben bei Stahlrahmen-Bikes, ob Custom oder nicht: Es zählt die Liebe zum Detail, der Hang zur Individualität und zu einer gewissen Exklusivität, die ohne oberflächliche Effekte auskommt. Und ja: es zählt auch die Weigerung, jede massenkompatible Mode mitzugehen. Deshalb taugt dieser Test eben auch nicht als objektiver Vergleich, der er allerdings auch nicht sein sollte. Als Anregung über Rennrad-Spielarten und Alternativen zum Massenmarkt ist er aber eine ziemlich gute Sache. Und die Fragezeichen sind inzwischen auch schon verschwunden.

0 Kommentare zu “Wilde Mischung: Rennrad-Test mit Stahlbeteiligung

  • Aufgrund Deines Blogeintrags hier habe ich mir gestern abend noch das Heft gekauft. Der Vergleichstest ist in der Tat ein Klassiker: Äpfel und Birnen, schon weil die Preise der Räder zwischen 2000 und 4100 € liegen.

    Aber schauen wir uns mal die beiden Stahlrahmentests im Einzelnen an.
    Beim Cubetto hast Du schon den wichtigsten Punkt erwähnt: Warum wird ein vier Jahre altes Gebrauchtrad getestet?
    Dann die Aussage „…weder Oversize-Rohre“: Leider stehen keine Rohrdurchmesser dabei. Aber nach http://www.columbustubi.com/eng/4_4_5.htm hat das Oberrohr mindestens 28,6mm Durchmesser, das Unterrohr mindestens 35mm. Was ist denn daran kein Oversize?
    Beim Vogel ist die Kritik am „hohen Gewicht“ aus meiner Sicht völlig daneben: 1. wiegt das Rad bei deutlich größerem Rahmen grad mal 710g mehr als das Specialized, 2. könnte man durch die Verwendung eines Brooks Swallow Titan mal eben 120g einsparen, beim Ersatz des Ritchey Pro Lenkers durch das WCS-Pendant dürften auch noch mal ein paar Gramm drin sein.

    Eigentlich wollte ich ja noch die fehlende Gewichtsangaben für die einzelnen Rahmen bemängeln, aber wenn man schon unterschiedlich große Rahmen testet, ist der Gewichtsvergleich so oder so hinfällig.

  • Hallo Stahlbiker,

    die aufgeworfene Frage, warum das getestete Cubetto 4 Jahre alt ist, möchte ich kurz beantworten: Die Einladung zur Testteilnahme kam kurzfristiger als der Bau eines neuen Cubettos möglich gewesen wäre. Franz Funk von Cubetto fand es zudem ganz reizvoll, ein Bike mit 20.000km gegen die 2011er Konkurerrenz „antreten“ zu lassen. Das Cubetto Komplettbike kostete vor vier Jahren übrigens deutlich unter 2000€. Zum Preis des Punktesiegers Trek Madone 5.2 (3300€) ließe sich heute übrigens auch ein gemuffter Cubetto Stahlrenner mit vergleichbarem Gewicht (7,5kg) bauen…

    Besten Gruß
    Christoph

  • Hi Christoph,

    tja es bleibt einfach das Problem, dass viele den Marketingaussagen der großen Hersteller bzw. den „objektiven“ Tests der Fachpresse vertrauen. Es findet einfach zu wenig Differenzierung statt bzw. es gibt zu wenig Radler, die sich tatsächlich mit der Materie beschäftigen möchten. Da ist es einfacher, einen Test zu lesen und auf dieser Basis seine Entscheidung zu treffen. Ist ja auch kein Verbrechen. Die Diskrepanz von Massen- und Nischenmarkt wird es immer geben, bei Fahrrädern, Autos, Armbanduhren oder was auch immer. Es ist letzten Endes wie in der Politik. Man kann den platten Stammtischparolen glauben oder das Ganze hinterfragen. Aber wer macht das schon …

  • Hallo Iwo,

    noch eine kurze Ergänzung / Berichtigung:
    Der Rahmen ist – mit Ausnahme des Tretlagergehäuses und der Sitzrohrverlängerung – nicht gemufft, sondern muffenlos gelötet. Aus Edelstahl sind nur die Ketten- und Sitzstreben sowie das Sitzrohr.

    Viele Grüße
    Ulrich

  • Hallo Ulrich,

    vielen Dank für die Ergänzungen. Ich ändere den Artikel gleich Mal. Über den Artikel kamen die Details leider nicht rüber.

    Viele Grüße
    Iwo

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