RIDE YOUR BIKE! Von Nürnberg zum Nordkap in 30 Tagen. EPISODE 10: Die Angst vorm Mut oder Reise Courage und ihre Kinder

Nach Episode 8 sind wir, in unserem zweiwöchentlichen Rhythmus, nun bei Noras zehnter Episode ihrer Reise ans Nordkap angekommen – die letzte Episode vor dem Beginn ihrer Reise am 1. Mai! Die nächste Folge wird bereits on the road geschrieben.
Episode 9 findet ihr hier.
Eine Übersicht aller Episoden findet ihr auf Noras Blog.

RIDE YOUR BIKE! Von Nürnberg zum Nordkap in 30 Tagen. EPISODE 10: Die Angst vorm Mut oder Reise Courage und ihre Kinder

Es ist soweit. Das Rad ist fix und fertig, die Satteltaschen soweit gepackt, das GPS einsatzbereit und der Angestelltenvertrag abgelaufen. Es wird ernst, wie es so schön klingend heißt. T-5. Noch fünf Tage bis zur Abfahrt am 1. Mai. Und es geschieht wie erwartet. Die eifrige, über Monate angestaute Vorfreude, die meine Reise mit dem Rad von Nürnberg zum Nordkap in 30 Tagen zu DEM Licht am Ende aller Alltagsroutinen-Tunnel gemacht hatte, schlägt leise um. Etwas mischt sich hinein. Etwas, das sich, wenn ich nun nachts im Bett liege und die Stunde näher rückt, an der es heißt, Abschied zu nehmen, leise klingt wie — Angst?

Letzte Vorbereitungen

Angst? Vielleicht ist Lampenfieber der passendere Begriff. Jeder kennt das. Jeder Schüler, der ein Referat vor versammelter Klasse halten muss, jeder Student vor der Verteidigung seiner Thesis, jeder Schauspieler vor dem Auftritt und jeder Torwart vor dem Elfmeter. Eben auch der Reisende kennt das. Jeder Aufbruch ist zugleich ein Ausbruch, ein Bruch wirklich. Mit dem Bekannten, dem schönen Tagein-Tagaus. Ich will gehen, aber je näher ich dem Gehen komme, desto mehr überkommt mich das Grauen darüber. Der Zweifel, der nagt. Soll ich wirklich? Was ist, wenn? Und: Kann ich das schaffen?

All set. Ready to go. Und da kommt sie, die Angst: Hello darkness, my old friend.

Nein. Kann ich nicht. Und zugleich: Natürlich kann ich! Der Weg erschließt sich nur im Gehen. Die letzten Meter vor dem Abschied sind die schwersten. Sie rütteln schmerzhaft alle Unsicherheiten des eigenen Ichs auf und die Unzulänglichkeiten unserer selbst treten auf einmal klar zutage. Die Unternehmung scheint zu groß, zu verrückt, zu gewagt, zu unverschämt, als dass sie gelingen könnte. Es dämmert uns das Ausmaß der eigenen Hybris. Und die böse, kleine Stimme in uns wispert von der Sicherheit der Niederlage.

Triumph und Niederlage sind namenslose Schilder an den Rändern unseres Lebens. Die Ereignisse tragen weder das eine, noch das andere inhärent in sich.

Aber was ist Niederlage? Was Triumph? Konstruierte Aggregatszustände einer Leistungsgesellschaft, die sich selbst zu ernst nimmt. Wenn wir uns nur klarmachen würden, dass alle Ereignisse, die auf unser Handeln hin eintreten, lediglich Reaktionen sind, reines Feedback im wörtlichen Sinne, und die Wertekomponente – also die Evaluation dieser nachfolgenden Zustände in „gut“ oder „schlecht“, „gewinnen“ oder „verlieren“, nur normative Konstrukte sind, die wir ebendiesen Zuständen überstülpen, dann müssten wir keine Angst vor dem Scheitern haben. Dann müssten wir gar keine Angst haben.

Einfach losfahren!

Insofern kann ich diese Reise weder schaffen noch nicht schaffen. Es liegt kein Triumph darin außer derjenige, den ich ihr selbst zuordne. Und es läge kein Versagen im Scheitern. Kurz: Es gibt eine Menge Gründe, eine solche Reise zu unternehmen: Sportlicher Ehrgeiz, Aufmerksamkeit, Hybris, Neugierde. Es geht darum, etwas zu schaffen. Das Ziel (was auch immer, als das Ziel auserkoren wird) zu erreichen. Aber vielleicht liegt der letzte und erste Grund darin, sich von eben solchen Konzepten des Triumphs oder des Scheiterns zu lösen. Was passieren wird, wird passieren. Die Bewertung dessen obliegt uns. Das ist, sträflichst vereinfacht, Stoik in Reinform. Und die steht dem Reisenden gut zu Gesicht. Ich reise nicht, um Bestzeiten zu erreichen oder meinen „Body“ zu „shapen“. Ich reise nicht, um zu „gewinnen“ oder zu „triumphieren“ über irgendetwas oder irgendwen (wenn, dann nur über mich selbst und meinen ganz persönlichen Schweinehund). Ich reise nicht, um frei zu werden. Ich reise, weil ich frei bin.

T-5.

Es geht los.

Und in der nächsten Episode:

EPISODE 11: On the road – Part I


Episode 9 auf Noras Blog
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Episode 1

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Bilder: Nora Beyer
Text: Nora Beyer / André Joffroy

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